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Siehe, ich bin bei euch alle Tage

Zum Fensterzyklus von Raphael Seitz in der Bartholomäuskirche zu Brackwede

"Siehe!" - Ein kleines, unscheinbares Wort, und hat in unserem Leben doch tiefe Spuren hinterlassen.

"Siehe, ich verkündige euch große Freude", so grüßt man die Hirten auf den Feldern von Bethlehem. – "Siehe, es ging ein Sämann aus zu säen", so beginnt Jesus sein Gleichnis vom viererlei Acker. -

"Siehe, ich bin bei euch alle Tage", so tröstet der auferstandene Christus die Seinen bei seinem Abschied.

"Siehe, ich bin bei euch!" - Wer so spricht, der blickt nicht wehmütig zurück, sondern lädt freundlich ein, mutig in die Zukunft zu sehen, Gottes Hilfe wahrzunehmen und mit ihm auf dem Weg zu den Menschen zu bleiben. Es ist die Liebe Gottes, die da auf dem Weg ist, die in immer neuen Abwandlungen der Phantasie, der Hoffnung und Ermutigung unsere Welt hell macht und sie in das Licht seiner Liebe taucht. Sie leitet uns an, selber im Licht Gottes zu leben und dabei zu lernen, unsere Welt mit Gottes Augen zu sehen: nüchtern und genau, engagiert und liebevoll, kritisch und mutig.

Die Kirche und ihre Verkündigung, aber auch der Kirchraum und seine Gestaltung, sind schon immer Orte gewesen der Wahrnehmung und Vergewisserung, des Nachdenkens und Einübens der Liebe Gottes zu den Menschen in der Nachfolge Jesu. In und durch solche Nachfolge wird er auch heute als der gegenwärtig Wirkende erlebt.

Die Gegenwart Christi in seiner Kirche und in der Welt, sein Beiunssein an allen Tagen, ist Thema der künstlerischen Gestaltung der Fenster in der Bartholomäuskirche zu Brackwede durch Raphael Seitz. In drei Schwerpunkten wird diese Glaubensaussage entfaltet, wobei die obere Fensterreihe mit ihrer figürlichen Darstellung jeweils in Beziehung gesehen werden muß zur unteren Fensterreihe mit ihrer Abfolge stiller Landschaften, in die Gedanken eingeschrieben sind »wie wachsendes Gras«. Die kurzen Texte laden ein zum Verweilen, geben Hinweise zum Nachdenken und Weiterdenken und können gelegentlich auch ein Schlüssel zum Verstehen sein.

Den ersten Schwerpunkt bilden die Fenster an der linken, nördlichen Seite der Kirche im Hauptschiff und im Seitenschiff. Sie stehen unter dem Leitgedanken »Ich bin das Licht der Welt« und zeigen, was Jesus im Namen Gottes für uns getan hat und immer noch tut. Er ruft Menschen in seine Gemeinschaft, die ausgegrenzt und verachtet werden (der Zöllner Zachäus). Er holt Menschen aus Tod und Verderben zurück auf den Weg des Lebens (die Tochter des Synagogenvorstehers Jairus). Er vergibt Schuld und heilt Krankheiten (die Ehebrecherin und der Blinde). Er teilt am Kreuz unseren Tod, damit wir teilhaben können an seinem in Gottes Reich vollendeten Leben.

 

In diesen Darstellungen begegnet uns die Liebe Gottes, die allen Menschen gilt und die dennoch in geradezu parteiischer Weise den Armen und Elenden zukommt. Sie geht nicht an ihrem Leiden vorbei, sondern macht es sich zu eigen. Sie verspricht nicht die Bewahrung vor aller Not, wohl aber die Bewahrung in aller Not. Weil er bei uns bleibt, kann auch Not und Leid nur etwas Vorläufiges sein und wird um Gottes willen nicht das letzte Wort behalten.

Die gegenüberliegende Südseite der Kirche erhält viel Licht. Die Fenster, die sich auf dieser Seite befinden, entfalten den Gedanken, daß Menschen, die vom Licht Gottes berührt worden sind, selber zum Licht werden und es weitertragen: "Ihr seid das Licht der Welt."

 

 

Im Zentrum steht das große Pfingstfenster. Es zeigt die Jünger Jesu, vom Geist Gottes erfaßt, in Freude und Eintracht beieinander. In der Glut ihrer Begeisterung formt sich über ihnen eine wunderschöne rote Blüte wie aus Feuerflammen und wird zum Zeichen ihres Aufbruchs in Gottes neue Welt. In ihrer Gemeinschaft bildet sich die Gemeinschaft der Kirche. Frauen und Männer, junge und alte, sind seither unterwegs auf den Spuren der Hoffnung, bewegt vom Geist Gottes, ermutigt und getröstet von dem, der bei uns ist alle Tage. Männer und Frauen wie der Apostel Paulus oder die Purpurhändlerin Lydia, wie die Geschwister Scholl oder Dietrich Bonhoeffer, wie Martin Luther King oder Albert Schweitzer. Menschen, die mit dem Einsatz ihres Lebens ein weithin leuchtendes Hoffnungszeichen gegeben haben. Daneben die vielen anderen, die, wie die namenlose Frau im abschließenden Fenster dieser Reihe, zu ihrer Zeit und an ihrem Ort treu und aufrichtig ihren Glauben leben. Sie alle werden so zu Zeugen des Auferstandenen.

Im Leben und Wirken solcher Menschen leuchtet Gottes Licht, geht seine ebenso politische wie diakonische Parteinahme für die Opfer weiter, baut er still und oft genug im Verborgenen sein Reich. Von den Bausteinen dieses Reiches sagt Hildegard von Bingen in einem wunderbaren Text: 

 

"Oh Jerusalem!
Dein Fundament, es wird gebaut aus verworfenen Steinen,
aus Zöllnern und Dirnen, den verlorenen Schafen allen, die zu dir eilten,
da Gottes Sohn sie fand, um eingefügt zu werden in deinen Bau.
Nun blitzen deine Mauern mit Steinen, die leben, die durch den Eifer
ihres guten Wollens hoch dahinflogen wie Wolken am Himmel."

Zwischen den beiden Fensterreihen links und rechts im Hauptschiff und in den Seitenschiffen befinden sich die Chorfenster. Sie bilden räumlich und thematisch eine Einheit und stehen im Mittelpunkt des ganzen Werkes. Wenn die Geschichte Gottes mit den Menschen eine Dimension der Vergangenheit und der Gegenwart kennt, so begegnen wir hier vor allem seiner Gegenwart.

   

Links daneben die Darstellung einer Piéta: der tote Jesus in den Armen seiner Mutter Maria. Es ist ein Motiv, das gleichsam zwischen Ostern und Karfreitag angesiedelt ist. Aber es drückt eine existenzielle Erfahrung in der Begegnung mit dem Tod aus, die keinem Menschen erspart bleibt, der unter Schmerzen von einem lieben Menschen Abschied nehmen muß. Es ist ein Glaubensbild. Mit dunklen und dennoch warmen Farben drückt es Traurigkeit und Schmerz, aber auch Liebe und Hoffnung aus. Und es enthält die Zuversicht auf eine Bewahrung, die uns über allen Abschied hinaus verheißen ist.

 

 

In der Mitte der Chorfenster das Auferstehungsbild. Es stellt die Begegnung des auferstandenen Christus mit seinen Jüngern frühmorgens am See dar (nach Joh 21). Die Jünger haben auf sein Wort hin einen reichen Fischfang gemacht. Er erwartet sie am Ufer und lädt sie ein: »Kommt und haltet das Mahl!" So wird für sie die Gemeinschaft in seiner Gegenwart zugleich zu einer Gemeinschaft mit Mahl.
In dieser tief empfundenen Darstellung weiß sich die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten miteinander und mit ihm verbunden. Wo immer sie versammelt ist in seinem Namen und das Mahl teilt zu seinem Gedächtnis, ist er mitten unter ihnen. So läßt sie sich auch heute einladen in die Gegenwart des Auferstandenen.

Rechts im Chor das Fenster mit Maria, die nach Joh 20 die erste Zeugin des Auferstandenen ist. Sie hat mit wenigen anderen unter seinem Kreuz ausgeharrt, und nun ist sie im Schmerz ihrer Liebe gekommen, um dem toten Jesus nahe zu sein. Da hört sie sich plötzlich bei ihrem Namen gerufen: "Maria!" Unter Tränen der Trauer, der Verwirrung und der hervorbrechenden Freude, erreicht sie das Licht und die Gewißheit seiner lebendigen Gegenwart.

So ist Maria Magdalena nicht nur die erste Zeugin geworden, sondern für viele darin ein Vorbild geblieben. Denn nicht in Glanz und Gloria sollen wir Zeugen sein, sondern klein und bescheiden, vielleicht auch einmal unter Tränen des Leids und des Mitleids, immer wieder bedroht von der Realität des Todes und angefochten von der Verborgenheit des Lebens. Die Gewißheit im Glauben, der Mut im Handeln und die Freude in der Hoffnung sind etwas Wachsendes, so gewiß wie das Reich Gottes selber im Wachsen und Werden begriffen ist.

 

Daß Christus bei uns ist alle Tage bis an der Welt Ende, ist in der Verkündigung der Kirche eine zutiefst wahre und auch einfache Botschaft. So wahr und einfach wie das Licht Gottes, das uns umgibt und in dem wir leben. Doch leuchtet sie nicht von selbst ein, sie ist nicht evident. Sie muß sich durch das Zeugnis, durch den Mut, durch die Liebe und durch das Opfer der Zeugen hindurch einen Weg zu unseren Herzen bahnen, um uns Augen, Ohren und Herzen zu öffnen. Als beglaubigtes Zeugnis schafft sie Glauben, wirkt Hoffnung, macht zur Liebe frei.

Der Fensterzyklus von Raphael Seitz in der Bartholomöuskirche zu Brackwede stellt uns das Zeugnis vom Licht Gottes, in dem wir leben dürfen, vor Augen. Es ist eine eindringliche Einladung an uns zu schauen. Doch selber zum Zeugen werden kann nur der, der sich von dem Geschauten aus seiner Zuschauerrolle herausrufen läßt und sich, den Spuren des Lichts folgend, auf Gottes Wirklichkeit einläßt. Eines der Fenster hält diese Wahrheit mit einem Gedicht von Dorothee Sölle fest:

"Christus ist wie Feuer.
Von fern betrachtet,
leuchtet es,
kommt man näher,
so wärmt es und tröstet,
geht man noch näher,
so wird man selbst das Feuer."

 

Wolfgang Bergmann

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